LUXUS IM SADDAM-CLAN

Ferraris, nackte Blondinen und ausgepumpte Mägen

Von Alwin Schröder

Er war einer der grausamsten Tyrannen in der Geschichte des Orients: Während das Volk hungerte, schwelgten Saddam und seine Clique im Luxus. Täglich musste in jedem der zahlreichen Paläste gekocht werden - falls der Führer käme. Wer die Wünsche nicht erfüllte, wurde gefoltert - oder umgebracht.

Das Ende der Herrlichkeit: US-Soldaten in einem Saddam-Palast in Tikrit
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Das Ende der Herrlichkeit: US-Soldaten in einem Saddam-Palast in Tikrit
Bagdad - Langeweile kam bei den Dienern in den Palästen von Saddam Hussein nie auf. Bis zu 78 "präsidiale Gelände" besaß der irakische Diktator. "Vier Mal am Tag muss in allen Palästen gekocht werden, weil niemand weiß, wann der Führer kommt", berichtete Marwan K., ein irakischer Ingenieur, der bis vor einem Jahr für Saddam arbeitete und jetzt in der Nähe von Beirut lebt. Der Stadtpalast Radwanija in Bagdad hatte neben Kasernen für seine Präsidentengarde ein eigenes Kraftwerk, ein Notstromaggregat, Kläranlagen, einen Schlachthof und Gemüsegärten.

Saddam und sein Clan liebten den Luxus und stellten ihn auch zur Schau. Für ihn seien seine Residenzen "wichtige Prestigesymbole" gewesen, sagte der in die USA geflüchtete Bauingenieur Eintifad Qanbar. In den Palästen und Wohnanlagen gab es künstliche Seen, mehrere Swimmingpools und riesige Volieren für Vögel aus der ganzen Welt. Geld spielte bei der Errichtung der Prachtbauten keine Rolle. Seit dem Golfkrieg 1991 gab die irakische Regierung nach Uno-Berechnungen zwischen 1,5 und 2,2 Milliarden Dollar für den Bau neuer Paläste oder die Renovierung von beschädigten herrschaftlichen Gebäuden aus.

Dem irakischen Volk fehlte dieses Geld. Das Durchschnittsgehalt eines Beamten lag bei 4000 Dinar - ein gegrilltes Hähnchen kostete aber 5000 Dinar. Im Elendsviertel Saddam City, einem Stadtteil von Bagdad mit hohem Schiiten-Anteil, zum Beispiel war die Säuglingssterblichkeit immens hoch - während die Bevölkerung unter den Uno-Sanktionen litt, lebte die Elite-Clique von Saddam weiter hemmungslos in Saus und Braus. Reich geworden war der Clan, der den Diktator umgab, durch illegalen Erdölhandel, Zigarettenschmuggel und Schwarzmarktgeschäften mit Lebensmitteln und Medikamenten.

Tikrit: US-Soldaten schwimmen in einem Luxuspool Saddams
AP
Tikrit: US-Soldaten schwimmen in einem Luxuspool Saddams
So wichtig Saddam seine Paläste auch waren - in dem meisten wohnte er kaum. In manchen Gebäuden wie dem größten Palast in Dschabal Makhul nordwestlich von Bagdad oder oder dem Prachtbau in seiner Geburtsstadt Tikrit wurde der Präsident manchmal wochenlang nicht gesehen. Meist hielt Saddam sich in Radwanija auf - einem riesigen, 24 Quadratkilometer großen Palastkomplex mit 360 Gebäuden. Besucher fühlten sich dort wie in einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht: In allen Gebäuden gab es Marmorbäder, goldene Wasserhähne aus Spanien, die Handtuch- und Seifenhalter waren aus Gold.

Udai feierte Partys bis zum Sonnenaufgang

"Wir haben im ersten Stock 105 Räume gezählt", berichtete US-Major Todd Smith, nachdem er einen der gigantischen Paläste Saddams nach Kriegsende gesehen hatte. "Und es gibt insgesamt drei Etagen". Von den Decken hingen schwere Kristall-Leuchter, in der Eingangshalle gab es Marmorfußböden, in die kunstvolle Sternen- und Blumenmuster eingearbeitet waren.

Exquisiten Geschmack bewies Saddam auch im Schlafzimmer. US-Truppen stießen bei der Durchsuchung eines kleinen Stadthauses auf ein Gemach mit marineblauem Teppichboden, das Bett war in einen Alkoven gebaut. An zwei Seiten erweiterten Spiegel den Raum optisch. Die Blicke der Soldaten zog aber auch ein opulentes Gemälde auf sich, das eine nackte Blondine zeigte, die von einem grünen, krokodilähnlichen Monster verfolgt wurde. Auf dem Bild eilt ein schnauzbärtiger Held (Saddam?) zur Hilfe, der schon mit einer Riesenschlange kämpft. Ein anderes Bild zeigte eine Frau, die an einen Wüstenfelsen gekettet einem Drachen entgegen blickt, der auf scharfen Krallen auf sie zu kriecht. In der Hausbar fanden die Amerikaner 20-jährige italienische Rotweine, wertvolle Cognacs und schottische Whiskeys.

Bagdad: Ein GI im durchwühlten Bett von Udai
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Bagdad: Ein GI im durchwühlten Bett von Udai
Mit seinem Reichtum protzte auch Saddams Sohn Udai gerne. Er hielt sich am liebsten in seinem Yachtclub Dschadrija, südlich von Bagdads Zentrum, auf. In der achteckigen Haupthalle lud Udai zum Tanz ein, was häufig in Orgien endete. Die Partys begannen meist gegen zwei Uhr nachts und endeten frühestens bei Sonnenaufgang. An einem der fünf Kamine umgab sich der Saddam-Sohn mit willigen Frauen und Gefolgsmännern. Beim Reden soll er gefährlich mit einem Schürhaken gespielt haben, den er gerne spontan in die Beine eines neben ihm Stehenden fahren ließ. Wer darüber nicht lachte, konnte der nächste sein, mit dem sich Udai beschäftigte. Also wurde viel gelacht im Yachtclub - und viel gelitten.

Seine Gäste mussten sich betrinken

Udai selbst trank nur wenig Whiskey, von seinen Gästen wurde indes erwartet, dass sie sich betrinken. In einem Nebenraum ließ er manchmal ein Gerät aufstellen, mit dem die Mägen seiner "Gäste" wieder ausgepumpt werden konnten.

Auch auf den Ruinen Babylons ließ Saddam einen Palast erbauen
AP
Auch auf den Ruinen Babylons ließ Saddam einen Palast erbauen
Frauen waren ein spezielles Thema bei Udai. Frauenbeschaffer wie Ali Sahar mussten dem Saddam-Sohn jeden Tag Damen zuführen, die so auszusehen hatten, wie die, die Udai im Internet gesehen hatte. Wer seinen Geschmack nicht traf, wurde im besten Fall verstoßen - es konnte aber auch passieren, dass er ohne Zunge weiterleben musste. Ali Sahar passierte dies vier Monate vor dem Ende des Saddam-Regimes.

Aber nicht nur Frauen, auch Autos hatten es Udai angetan. Zu seinem Fuhrpark gehörten die Marken Ferrari, Bentley, Maserati, Lamborghini, Mercedes, BMW, Porsche. Einige Jahre war Marwan K. für die Luxus-Autos des Saddam-Sohnes zuständig. Ein undankbarer Job. Mehrfach am Tag kam Udai persönlich in die Garage, ständig rief er an, veränderte Pläne. So verlangte er plötzlich eine Stunde vor der Abfahrt nicht mehr den roten Ferrari, sondern den blauen, der seit Monaten nicht mehr benutzt worden war. Wenn etwas nicht Udais Wünschen entsprachen, mussten Marwan K. und seine Mitarbeiter leiden: Mal mussten sie sich zur Strafe die Haare abrasieren lassen, mal hieß es aber auch: "Geh ins Gefängnis und lass' dich höflich machen."



SADDAM-PORTRÄT

Der Barbar von Bagdad

Von Lisa Erdmann

Als Kind spürte er am eigenen Leibe, was Gewalt bewirken kann. Als Erwachsener unterdrückte Saddam Hussein mit brutalen Methoden ein ganzes Volk. 24 Jahre lang beherrschte der Diktator den Irak, bis ihn die USA mit Milliardenaufwand stürzte und nach monatelanger Jagd unschädlich machte.

Waffennarr: Der Diktator zeigt sich gern in Kämpfer-Pose
AP
Waffennarr: Der Diktator zeigt sich gern in Kämpfer-Pose
So absurd das klingen mag: Er wollte verehrt werden von seinem Volk. Dieser Schlächter und Folterer, Spitzelkönig und Kriegstreiber wünschte sich, dass die Iraker in Bewunderung zu ihm aufschauen. Und wenn sie es nicht freiwillig taten, dann eben unter Zwang.

Er wusste sehr genau, dass die spontanen Huldigungen und inszenierten Jubelchöre nur Resultat schierer Furcht waren. Denn wichtiger als alles andere war ihm der Machterhalt. Sein Mittel dafür: Terror.

Er ließ Zungen abschneiden, Augen ausstechen, Füße abhacken. Er ließ Menschen aus nichtigem Grund jahrelang in Verliesen verrotten. Er ließ töten. Ohne Gerichtsverfahren, ohne Anwalt. Einfach so, massenhaft. Ein Mensch ohne Skrupel, ohne Hemmungen, mit sadistischen Phantasien. Sein perfektes Unterdrückungssystem gekoppelt mit einem maßlosen Personenkult hielt ihn 24 Jahre an der Macht.

Den ersten Mord hat Saddam Hussein als 19-Jähriger verübt. Auf Anweisung seines Onkels, eines Händlers und Straßenräubers, erschoss Saddam einen rivalisierenden Banditen.


Geboren wurde Saddam, dessen Name "der Standhafte" bedeutet, 1937 in einem armen Dorf bei Tikrit vermutlich als Folge einer außerehelichen Affäre seiner Mutter. Er wuchs in einer gewalttätigen Kleinbauernfamilie auf dem Land auf, erst bei seiner Mutter, nachdem diese wieder geheiratet hatte, bei dem wenig zimperlichen Onkel. Der nahm ihn mit nach Bagdad, schickte ihn zur Schule und gab ihm später seine Tochter Sajida zur Frau.

Fette Beute: US-Kopfgeld von 25 Millionen Dollar auf Saddam Hussein
DPA
Fette Beute: US-Kopfgeld von 25 Millionen Dollar auf Saddam Hussein
Der Irak, als Staat zum Zeitpunkt der Geburt von Saddam noch nicht mal 20 Jahre alt, war schon damals von politischen Unruhen beherrscht. Die britischen Kolonialherren hatten aus drei osmanischen Provinzen ein Land zusammen gezimmert. Die Machthaber wechselten so schnell, dass sich das Volk kaum die Namen merken konnte.

Als 20-Jähriger schloss sich Saddam 1957 der damals verbotenen panarabischen Baath-Partei an. Nachdem er bei der Aufnahme für die Militärakademie durchrasselte, war für einen wie ihn - ohne Geld, ohne einflussreiche Familie - die Politik die einzige Chance für einen Weg nach oben. 1959 beteiligte er sich an einem Attentat auf den damaligen Diktator General Kassim, der selbst ein Jahr zuvor den König vom Thron gestoßen hatte. Das Attentat auf Kassim misslang, Saddam musste flüchten.

Saddam beseitigte sämtliche Konkurrenten

Er begann in Kairo ein Jura-Studium und kehrte erst 1963, nach Kassims Sturz, wieder nach Bagdad zurück. Fünf Jahre später putschte sich die Baath-Partei an die Macht. Saddam gehörte bereits zur Führungsriege. Er beseitigte sämtliche Konkurrenten und trimmte als Vizepräsident des Revolutionären Kommandorates das Land auf Parteikurs. Ab 1970 galt er als der zweite Mann im Irak hinter Staatschef al Bakr und begann damit, seinen nahezu perfekten Überwachungsapparat aufzubauen. Kinder bespitzelten ihre Eltern, Männer ihre Frauen und die Spitzel sich gegenseitig. Zehntausende Menschen verschwanden spurlos und die Angst wurde zum ständigen Begleiter.

Nach dem Rücktritt al Bakrs 1979 übernahm Saddam Hussein nun vollends die Macht als Staats- und Regierungschef, Generalsekretär der Baath-Partei und Oberbefehlshaber des Militärs. Einen missglückten Putschversuch nutzt er, um alle unliebsamen Weggenossen loszuwerden.

Parallel dazu verschaffte er sich Ansehen beim Volk, indem er mit den Gewinnen der inzwischen verstaatlichten Ölindustrie dem verarmten orientalischen Land ein moderneres Antlitz verpasste: Er baute Straßen, Krankenhäuser, Fabriken. Die Kinder schickte er in neue Schulen - wer schwänzte, dessen Eltern wurden bestraft.

Sein erklärtes Ziel war Fortschritt. Das Land, und damit vor allem er selbst, sollte international mehr Gewicht erhalten. "Die Araber", sagte er 1980 in einem seiner seltenen Interviews zum SPIEGEL, "stehen in Wahrheit nicht Israel gegenüber, sondern der technologischen und wissenschaftlichen Überlegenheit des Westens. Diese Tatsache spornt uns zugleich an, unsere bisherige Unterlegenheit auszugleichen."

Der Irak startete ein gigantisches Aufrüstungsprogramm und West wie Ost verkaufen ihre Waffen gern dorthin. So gerüstet begann er 1980 den Krieg um den Grenzverlauf mit Iran, das unter dem Fundamentalisten Ayatollah Khomeini international keine Unterstützung erhielt.

Acht Jahre dauerte dieser erste Golfkrieg. Er kostete mindestens 350.000 Leben auf beiden Seiten. Ins Kreuzfeuer der Kritik geriet Saddam erst, als er Giftgas auch gegen die Kurden im eigenen Land einsetzte. Rund 5000 Menschen starben qualvoll. Doch ernsthafte Folgen hatte das nicht. Der Krieg gegen den Nachbarstaat endete mit einem Waffenstillstand.

Nur zwei Jahre später begann Saddam den nächsten Krieg, diesmal gegen Kuweit. Doch diesmal schaute, für Saddam völlig überraschend, die Welt nicht zu - denn es ging ums Öl. Einmütig wie nie zuvor verurteilte die Uno den Irak als Aggressor und verlangte den sofortigen Abzug. Auch die arabische Welt stellte sich gegen den Diktator. Im Januar 1991 begann der sechswöchige Krieg der Alliierten gegen den Irak.

Saddam verlor die "Mutter aller Schlachten" und anerkannte anschließend - zumindest auf dem Papier - sämtliche Uno-Resolutionen, doch er hielt sich im Amt. Wenige Monate nach dem Krieg konnte er unbehelligt von der Weltgemeinschaft Aufstände der Schiiten im Süden und der Kurden im Norden des Landes blutig niederschlagen und Zehntausende aus Rache töten.

Katz- und Maus-Spiel mit der Uno

Saddam in arabischer Tracht
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Saddam in arabischer Tracht
In den folgenden Jahren betrieb Saddam ein Katz- und Maus-Spiel mit der Uno und den USA. Mal ließ er Rüstungsinspektoren ins Land, dann warf er sie wieder hinaus. Mal ließ er seine Truppen an Kuweits Grenze aufmarschieren, dann zog er sie wieder ab. Provokation pur.

Zu leiden hatte sein Volk. Das von der Uno verhängte Handelsembargo ließ Lebensmittel, Medikamente, medizinische Geräte und sogar Bleistifte knapp werden. Der Wiederaufbau des vom Krieg zerschundenen Landes war unmöglich. Saddam und sein Clan lebten dagegen weiter im Luxus. Er ließ neue Paläste bauen, ausgestattet mit goldenen Wasserhähnen, marmornen Swimmingpools und modernsten Bunkern. Seine Familie feierte rauschende Partys, während die Iraker hungerten.

Doch Saddam Hussein sah die Feinde im eigenen Land näher kommen. 1995 gipfelte der Machtkampf innerhalb der Familie in der Flucht der beiden Töchter Raghad und Rana mit ihren Ehemännern Hussein und Saddam Kamel nach Amman. Hussein Kamel, zuvor zuständig für die geheimen Waffenprogramme, hatte sein Wissen gegenüber der CIA ausgeplaudert. Ein Jahr später lockte Saddam die beiden Paare unter dem Versprechen, ihnen vergeben zu haben, zurück in die Heimat - und ließ die Männer sofort liquidieren: Eine Warnung an alle, dass sein Terrorregime selbst vor engsten Familienbanden nicht Halt machte.

Als US-Präsident George W. Bush den Irak nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zum bedrohlichsten Teil der "Achse des Bösen" erklärte, war klar, dass ein neuer Golfkrieg bevorsteht. Saddam versuchte sich der Solidarität anderer arabischer Staaten zu versichern und ging mit Trippelschrittchen auf die Forderungen der Uno ein - zu spät: Der Krieg war beschlossen, die USA suchten nur noch Verbündete. Bis zum Schluss versuchte sich der Herrscher in Drohgebärden. Als die Amerikaner schließlich in Bagdad einmarschierten, war Saddam untergetaucht.

Doch vermutlich war seine Angst vor den eigenen Landsleuten größer als die vor den Amerikanern. Ein Video soll er sich früher, tief berührt, immer wieder angesehen haben: Das, auf dem zu sehen ist, wie der Leichnam des gestürzten rumänischen Diktators Nicolae Ceausescu vom Volk durch den Sand geschleift wurde.

(C) SPIEGEL-ONLINE.DE 2003